Bei der Suche nach den Ursachen der Multiplen Sklerose sind Forscher aus Würzburg und Madison (USA) einen bedeutenden Schritt vorangekommen. Ihre Erkenntnisse, die sie jetzt im Journal of Neuroscience veröffentlicht haben, könnten als Grundlage einer zielgerichteten Therapie dienen.

Bei der Suche nach den Ursachen der Multiplen Sklerose sind Forscher aus Würzburg und Madison (USA) einen bedeutenden Schritt vorangekommen. Ihre Erkenntnisse, die sie jetzt im Journal of Neuroscience veröffentlicht haben, könnten als Grundlage einer zielgerichteten Therapie dienen.

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, die meist im frühen Erwachsenenalter beginnt und die sehr unterschiedliche Verläufe nehmen kann. Die Betroffenen verspüren zu Beginn häufig ein Kribbeln in Armen und Beinen, sie stolpern vermehrt oder bekommen Schwierigkeiten beim Sehen. In schweren Fällen leiden die Erkrankten später unter gravierenden Behinderungen.

Nach aktuellen Schätzungen sind weltweit ca. 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen; in Deutschland leben nach derzeitigen Hochrechnungen rund 122.000 MS-Erkrankte; jährlich werden etwa 2.500 Fälle neu diagnostiziert. Frauen erkranken beinahe doppelt so häufig wie Männer.

Körpereigene Zellen zerstören die Nervenfasern

"Die Multiple Sklerose ist eine klassische Autoimmunerkrankung, die durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark verursacht wird", erklärt Heinz Wiendl, Professor für Neurologie und Leiter der Klinischen Forschergruppe für Multiple Sklerose und Neuroimmunologie an der Würzburger Universitätsklinik.

Dabei wird die "Isolationsschicht" der Nervenfasern, die so genannte Myelinscheide, zerstört, und Nervenimpulse können nicht mehr richtig weiter geleitet werden. "Letztendlich kommt es zur Schädigung der Nervenfasern selbst und in der Folge zu neurologischen Störungen in Form von schweren Behinderungen", so Wiendl. Warum die körpereigenen Immunzellen ins Nervensystem einwandern und eine Entzündungsreaktion im Gehirn und Rückenmark auslösen, ist immer noch nicht vollständig geklärt.

Ein Zelltypus fördert den Krankheitsverlauf

Etwas Licht ins Dunkel des zellulären Geschehens hat nun eine Gruppe von Forschern der Universitäten Würzburg und Madison (USA) bringen können. Das Team um Heinz Wiendl und Zsuzsanna Fabry hatte eine bestimmte Zellart des Immunsystems, die so genannten dendritischen Zellen genauer untersucht und dabei entdeckt, dass diese eine Schlüsselrolle im fehlgeleiteten Angriff auf das Nervensystem einnehmen.

"Wir haben im Tierversuch herausgefunden, dass sich der Krankheitsverlauf immer dann deutlich verschlechtert, wenn im Gehirn eine erhöhte Anzahl von dendritischen Zellen anzutreffen ist", erklärt Heinz Wiendl. Allerdings verursachen diese Zellen nicht selbst die Schäden an den Nervensträngen. Sie sorgen jedoch dafür, dass große Menge von weiteren Immunzellen, so genannte Effektor-Zellen ins Nervensystem einwandern, die zum einen selbst Entzündungen verursachen und zum anderen weitere Immunzelltypen, wie beispielsweise Fresszellen, anlocken und so die Schädigung der Myelinscheide vorantreiben.

Gleichzeitig konnten die Neurologen beobachten, dass bei ihren erkrankten Tieren eine Zellart deutlich unterrepräsentiert war, die im Normalfall dafür sorgt, dass Entzündungen nicht ausufern: Die regulatorischen T-Zellen. "Wir konnten zeigen , dass sich das Verhältnis von schädlichen Effektor-Zellen zu entzündungshemmenden Regulator-Zellen im Gehirn deutlich zu Gunsten der Effektor-Zellen verschoben hatte", so Wiendl.

Manipulierte Zellen verbessern die Symptome

Bei dieser Beobachtung ist es allerdings nicht geblieben: Der Forschergruppe ist es gelungen, die dendritischen Zellen so zu manipulieren, dass sie sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkten. Im Gegensatz zu ihren nicht-manipulierten Verwandten aktivierten sie nun nicht mehr Effektor-Zellen mit entzündungsfördernden Botenstoffen, sondern solche Zellen, die Entzündungsprozesse unterdrückende Signalmoleküle produzieren. "Obwohl wir in den so behandelten Tieren immer noch eine erhöhte Anzahl von T-Zellen im Gehirn identifizieren konnten, hatten sich ihre Eigenschaften geändert", erklärt Wiendl.

Klinisch betrachtet bewirkte diese Manipulation eine generell niedrigere Erkrankungsrate sowie eine deutliche Verbesserung der Krankheitssymptome. Somit könnten diese Erkenntnisse die Grundlage bilden für eine Therapie der Multiplen Sklerose, die an den dendritischen Zellen ansetzt. "Bis es allerdings eine solche spezifische Therapie gibt, die auch beim Menschen zum Einsatz kommen kann, werden wohl noch einige Jahre vergehen", dämpft der Neurologe allzu große Erwartungen. Auf alle Fälle trage das Forschungsergebnis jedoch dazu bei, die Vorgänge, die zu einer Multiplen Sklerose führen, besser zu verstehen als bisher.

Quelle:

Zozulya AL, Ortler S, Lee JE, Weidenfeller C, Sandor M, Wiendl H* and Fabry Z*. "Intracerebral Dendritic Cells Critically Modulate Encephalitogenic versus Regulatory Immune Responses in the CNS" The Journal of Neuroscience, Jan 7, 2009, 29(1):140-152.

*Gleichberechtigte Autorenschaft

Quelle: Würzburg [ JMU ]

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