Ergebnisse des 13. wissenschaftlichen Workshops vom Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. (IDE)

Ergebnisse des 13. wissenschaftlichen Workshops vom Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. (IDE)

Der Fläche nach ist der Darm das größte Organ des Menschen. Die darin angesiedelten Darmbakterien machen etwa ein Kilogramm des menschlichen Körpergewichtes aus. Sie neutralisieren Toxine, verdrängen pathogene Keime, stellen Enzyme bereit und unterstützen die Verdauung. Zirka im dritten Lebensjahr ist die Darmflora voll ausgebildet. Sie geht mit dem Menschen durch alle gesundheitlichen Höhen und Tiefen und wirkt sich so auch auf unser Wohlbefinden aus. Das IDE griff mit dem diesjährigen wissenschaftlichen Workshop "In uns: ein interaktiver Mikrokosmos" am 19./20. Mai 2011 in Potsdam-Rehbrücke ein Thema ganz am Puls der internationalen Forschung auf.

Der Mikrokosmos im menschlichen Darm beeindruckt mit starken Zahlen. Prof. Dr. Michael Blaut, Leiter der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIFE) stellte einige davon vor: Mit ca. 100 Billionen Zellen hat die Darmflora zehnmal mehr Zellen als der Mensch sonst noch besitzt. Sie hat außerdem 100 Mal mehr Gene. Über 400 Spezies gehören zu ihrem Artenspektrum und dennoch ist sie von Mensch zu Mensch individuell. Diese Zusammensetzung wird maßgeblich von Ernährungseinflüssen geprägt. Mit steigendem Alter erhöht sich die Vielfalt der vorhandenen Bakterienstämme. Gleichzeitig reagiert die Darmflora empfindlicher gegenüber Erkrankungen und Medikamenten.

Heute ist nachgewiesen, dass einige chronische Krankheiten mit einer veränderten Zusammensetzung der Darmbakterien einhergehen. Probiotika hingegen können diese positiv beeinflussen. Es gibt mittlerweile so gute wissenschaftliche Nachweise, dass Probiotika vor kurzem in die Leitlinien zum Reizdarmsyndrom (RDS) der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aufgenommen wurden (1). Wie Prof. Dr. Remy Meier, Medizinische Universitätsklinik Kantonsspital Liestal, in seinem Vortrag betonte, unterscheidet sich die Ökologie der Darmflora von Reizdarmpatienten von der gesunder Menschen. Gastrointestinale Infektionen, entzündliche Abläufe im Darm und Antibiotikatherapien sind weitere Risikofaktoren für die Verstärkung von RDS-Symptomen. "Probiotika stellen eine interessante Therapieoption zur Verbesserung der Symptome dar: Abhängig von der Art des eingesetzten Bakterienstammes erhöhen sie z.B. die Masse der Stuhlbakterien, reduzieren die bakterielle Überwucherung im Dünndarm, beschleunigen die Darmpassage oder reduzieren Blähungen und Schmerzen", so Prof. Dr. Meier unter Bezugnahme auf eine Metaanalyse mit 19 Studien zum Nutzen von Probiotika bei insgesamt 1.668 Reizdarmpatienten (2).

An der positiven Wirkung der Probiotika könnten folgende Eigenschaften maßgeblich beteiligt sein: Sie modulieren die entzündliche Antwort bei Reizdarmpatienten. Zudem verhindern sie das Andocken pathogener Keime, verändern die Zusammensetzung der Darmbakterien, kontrollieren die Bakterien durch selbstproduzierte Eiweißverbindungen und haben Effekte auf die Signalübermittlung zum Immunsystem. Zu beachten ist jedoch, dass probiotische Bakterienstämme spezifisch wirken.

Ein ganz junges Forschungsfeld eröffnete Prof. Dr. Stephan C. Bischoff, Universität Hohenheim in Stuttgart, auf dem Workshop: Neue Studien bestätigen erstmals Zusammenhänge zwischen der Darmflora und dem metabolischen Syndrom. So unterscheidet sich zum Beispiel die Darmflora von Adipösen und Normalgewichtigen durch unterschiedliche Bakteriengruppen und eine reduzierte Vielfalt der Bakterienstämme (3). Die Verschiebung der Hauptstämme führte in einer Studie mit zwölf Normalgewichtigen und neun Adipösen zu einer um 150 kcal erhöhten Energieausbeute bei den Adipösen(4). Wie Probiotika in das System der Energieausbeute, der Körperfettbildung oder auch der gestörten Insulinsensitivität eingreifen, ist jedoch wegen fehlender Humanstudien derzeit noch offen.

Weitere Referenten schilderten Aktuelles zu den Kommunikationssignalen zwischen intestinaler Mikrobiota und Immunsystem, zur Bedeutung der Darmflora bei der Entstehung und Prävention von Allergien bzw. Darmkrebs sowie zu den Chancen der Probiotika in der Kinderheilkunde. Prof. Dr. Günther Wolfram, Präsident des IDE, dankte dem Kooperationspartner Deutsches Institut für Ernährungsforschung, den Referenten und Journalisten für die bereichernden fachlichen Diskussionen. "Uns als gemeinnütziges Institut freut es außerordentlich, wenn unser Workshop zum wiederholten Mal ein anerkanntes Forum zur Präsentation und Diskussion von aktuellen wissenschaftlichen Informationen durch Forscher ist." Ein Bericht mit wissenschaftlichen Kurzfassungen zu allen Vorträgen kann kostenlos angefordert werden. Der ausführliche Kongressbericht wird 2012 veröffentlicht.

Fakten und Mythen zur Darmflora

Fakten:

  • Der Darm ist der Fläche nach das größte Organ des Menschen. Mit bis zu neun Meter Länge ist der Darm das größte Organ unseres Körpers. Die Darmschleimhaut ist stark gefaltet und mit vielen fingerförmigen Ausstülpungen, den Darmzotten, versehen. Dadurch entsteht eine Oberfläche von über 200 Quadratmetern. Zum Vergleich: 200 Quadratmeter entsprechen etwa der Fläche eines Tennisplatzes.
  • Die Darmflora besteht aus über 500 verschiedenen Bakterienspezies, mit ca. 100 Billionen Organismen und ca. 1 kg Gewicht. Der Mensch hat 10 Mal mehr Bakterien im Darm hat als Körperzellen.
  • Die Zusammensetzung der Darmflora variiert von Mensch zu Mensch. Die Darmflora variiert in ihrer Bakterienzusammensetzung sowohl in den verschiedenen Darmabschnitten als auch zwischen einzelnen Individuen. Sie befindet sich außerdem zu ständig im Umbau, d. h. Bakterien sterben und wiederum andere Bakterien vermehren sich oder es kommen neue über die Ernährung hinzu. Darüber hinaus verändert sich die Darmflora auch im Laufe des Alterns, in Abhängigkeit von der Ernährung, unter Stresseinwirkung und bei Verwendung bestimmter Medikamente wie z. B. Antibiotika.
  • Die Darmflora hilft bei der Abwehr von unerwünschten Bakterien. Darmbakterien sind ein wichtiger Partner des Immunsystems. Die Bakterien der Darmflora hemmen die Ansiedlung unerwünschter Bakterien und produzieren z.B. Abwehrstoffe gegen schädliche Bakterien. Außerdem stimulieren die Bakterien der Darmflora das darmassoziierte Immunsystem und trainieren damit das gesamte Immunsystem.
  • Die Darmflora hilft die Nahrung zu verwerten und liefert dem Körper dadurch wertvolle Substanzen. Die Darmbakterien helfen dabei, bestimmte Bestandteile der Nahrung, wie z.B. Ballaststoffe, zu verwerten. Außerdem übernehmen sie eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Vitaminen, die die für den Körper lebensnotwendig sind.

Mythen:

  • Probiotika machen "abhängig". Es gibt keine Gewöhnungseffekte für Probiotika, weil sich probiotische Kulturen nicht dauerhaft im Darm ansiedeln können.
  • Der Darm ist steril. Der Darm ist bis zur Geburt frei von Keimen. Bereits mit der Geburt beginnt die Besiedlung durch Bakterien der mütterlichen Flora im Geburtskanal. Bei Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, etablieren sich vorwiegend Hautkeime der Mutter bzw. des Klinkpersonals oder Umgebungskeime. Nach etwa drei Jahren ähnelt die Darmflora des Kindes der von Erwachsenen.
  • Täglicher Stuhlgang ist Pflicht. Diese Behauptung ist bereits lange überholt. Solange der Stuhlgang regelmäßig und ohne Probleme erfolgt ist es auch normal, täglich oder auch nur 2-3 mal pro Woche zu "müssen". Abhängig davon wie viel und was gegessen wird, ob Mann oder Frau - die Verdauung kann individuell variieren.
  • Antibiotika eliminieren nur schädliche Bakterien.    Die Wirkung von Antibiotika ist nicht nur auf die schädlichen Bakterien beschränkt, sondern kann die Zusammensetzung der Darmflora verändern. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass - je nach Art des Antibiotikums - diese Veränderungen auch nach mehreren Monaten noch nachweisbar sind.
  • Der Darm muss regelmäßig entgiftet werden, da sonst Schlacken entstehen. Im Stoffwechsel des Menschen fallen keine Schlacken an. So erklärt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in einer ernährungswissenschaftlichen Beurteilung, dass in einem gesunden Körper keine Ansammlungen von Schlacken oder sonstigen Ablagerung von Stoffwechselprodukten existieren(5). Vielmehr werden nichtverwertbare Stoffe bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr über den Darm und die Nieren ausgeschieden.

Zitierte Literatur

  • S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauung und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM); publiziert in: DOI http://dx.doi.org/10.1055/ s-0029-1245976 Published online 1.2.2011; Z Gastroenterol 2011; 49: 237-293
  • Moayyedi P, Ford AC, Talley NJ, et al (2010) The efficacy of probiotics in the treatment of irritable bowel syndrome: a systematic review. Gut 2010; 59: 325-32.
  • Bäckhed, F (2010): Clin Exp Immunol 160: 80-84
  • Jumpertz R, Le DS, Turnbaugh PJ, Trinidad C. et al: Energy-balance studies reveal associations between gut microbes, caloric load, and nutrient absorption in humans. Am J Clin Nutr. 2011 Jul; 94(1):58-65.
  • DGEInfo 02/2005 http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=468 (aufgerufen am 16.08.2011)

IDE - Workshop

Der IDE-Workshop wird jährlich in Kooperation mit einem renommierten wissenschaftlichen Institut auf den Gebieten Ernährung und Gesundheit für Fachjournalisten ausgerichtet. Den 13. Workshop veranstaltete das IDE in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIFE), Abteilung Gatsrointestinale Mikrobiologie, in Potsdam-Rehbrücke.

Das Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. Das 1992 gegründete Institut ist eine unabhängige Einrichtung, die ausgewählte Forschungsprojekte im Bereich Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin fördert und für verschiedene Zielgruppen aktuelle werbefreie Materialien für die Ernährungsaufklärung erstellt.

Eingebunden in ein internationales Netzwerk bietet das IDE Wissenschaftlern, Ärzten, Pädagogen und allen Interessierten eine Plattform für den Austausch sowie Zugriff auf aktuelle ernährungswissenschaftliche, psychologische und medizinische Erkenntnisse.

Quelle: Haar [ Institut Danone Ernährung für Gesundheit ]

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