Hannover, 14. November 2018. Wie muss der Geflügelstall der Zukunft aussehen? Wie lassen sich Tierwohl, Umwelt­schutz, Biosicherheit und Wirtschaftlich­keit unter einen Hut bringen? Mit diesem spannenden und wichtigen Themenkomplex hat sich die Internationale Geflügelkonferenz befasst, zu welcher der ZDG Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V...

Hannover, 14. November 2018. Wie muss der Geflügelstall der Zukunft aussehen? Wie lassen sich Tierwohl, Umwelt­schutz, Biosicherheit und Wirtschaftlich­keit unter einen Hut bringen? Mit diesem spannenden und wichtigen Themenkomplex hat sich die Internationale Geflügelkonferenz befasst, zu welcher der ZDG Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. gemeinsam mit der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) und dem European Poultry Club anlässlich der EuroTier in Hannover eingeladen hatte. Unter dem Titel „Tierwohl. Umweltschutz. Biosicherheit. Drei Ziele = ein Stall?“ diskutierten Wissenschaftler, Praktiker und Vertreter von Tier- und Umweltschutzverbänden vor mehreren hundert Gästen. Fazit nach zwei Stunden engagierter und durchaus kontroverser Diskussion: Eine einfache Lösung für die teilweise im direkten Zielkonflikt stehenden Herausforderungen wird es naturgemäß nicht geben können. Spürbar jedoch war die grundsätzliche Bereitschaft der Diskussionspartner, sich für eine zukunftsfähige und gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung gemeinsam auf den Weg zu machen. Als „Minimalkonsens“ hielt Moderatorin Tanja Busse auch unter dem Eindruck zahlreicher engagierter Wortbeiträge von Landwirten aus dem Auditorium fest: „Ein Wandel in der Tierhaltung muss finanziert werden und darf nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden.“

Isermeyer: „Brauchen überzeugende Zielbilder für alle Tierarten“
Den inhaltlichen Einstieg in das Thema lieferten zwei Impulsvorträge. Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Thünen-Institut Braunschweig sah in seinem Kurzreferat die gesellschaftliche Notwendigkeit, in einem „nationalen Großprojekt“ unter Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen überzeugende Zielbilder für alle Tierarten zu entwickeln, um die „Kakophonie zu überwinden“ und praxistaugliche Langfristperspektiven zu entwickeln. In seinem Resümee ordnete er den gesellschaftlichen Blick auf die Tierhaltung in Deutschland in einen globalen Kontext und stellte die provokante Frage: „Hat Deutschland den Mut, die Nutztierhaltung per Gesellschaftsvertrag von jenem Pfad fortzuführen, den die globalisierte Marktwirtschaft vorgibt?“ Wenn dies nicht der Fall sei, so Isermeyer, „dann sind die konkreten Spielräume für das Thema Tierwohl eher begrenzt“.

„Den einen Geflügelstall der Zukunft gibt es nicht“
Bernd Meerpohl, Vorsitzender Fachbeirat EuroTier, stellte seinem Impulsvortrag „Emissionsfreie, digitale Hühner-Wohlfühloasen?“ mit Blick auf nur schwer auszuräumende zentrale Zielkonflikte eine bewusst provokante Prophezeiung voraus: „Drei Ziele = kein Stall“. Für die Zukunft der Geflügelställe sah Meerpohl ganz grundsätzlich eine große Bandbreite unterschiedlicher Betriebsgrößen und Haltungsformen: „Den einen Geflügelstall der Zukunft gibt es nicht.“ Als besonders relevante Herausforderung identifizierte er den Themenkomplex Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung: „Bei einer derart stark wachsenden Weltbevölkerung müssen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung immer Teil des Tierwohl-Gedankens sein, alle drei müssen Hand in Hand gehen.“ Auch die Einhaltung der Biosicherheit werde durch weltweit wachsende Betriebsgrößen und den Trend zur Freilandhaltung zu einer immer größeren Herausforderung. Und beim Thema Umweltschutz forderte Meerpohl ein Umdenken ein: „Umweltschutz muss zum Produkt werden! Wir müssen gedanklich weg von der regulatorischen Bürde.“

Zum Auftakt der anschließenden Diskussion stellten Prof. Dr. Franz J. Conraths, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, Silvia Bender, Leiterin Biodiversität beim BUND, Ina Müller-Arnke von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten und ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke zunächst in Kurzthesen ihre zentralen Positionen vor.

  • Silvia Bender forderte eine Reduktion des Tierbestands in Deutschland und weltweit („wir brauchen weniger Ställe“) und die Rückkehr zu einer „bäuerlichen, artgerechten Tierhaltung“ mit Zweinutzungstieren und veränderten Zuchtzielen.
  • Für Ina Müller-Arnke steht eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere im Zentrum, „die Tiere müssen ihr natürliches Bewegungsverhalten ausleben können“. Das Tierwohl müsse an erster Stelle stehen, nicht die Wirtschaftlichkeit.
  • Friedrich-Otto Ripke forderte für die veränderungsbereiten deutschen Tierhalter und Vermarkter eine aktive Zukunftssicherung mit Planungssicherheit, kostendeckenden Erlösen und gesellschaftlicher Wertschätzung für die eigene Arbeit.

In der anschließenden Diskussion auf dem Podium und auch im sehr aktiven Austausch mit den Zuschauern ging es weniger um eine konkrete Annäherung an den tatsächlichen „Stall der Zukunft“ als vielmehr vor allem um (vermeintliche) Erwartungen der Gesellschaft an das Tierwohl und die Tierhaltung, um die konkrete Ausgestaltung eines staatlichen Tierwohllabels, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geflügelwirtschaft und immer wieder um die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit der Landwirte und die auch finanzielle Wertschätzung von Lebensmitteln. Von mehreren Seiten kritisiert wurde auch das Fehlen einer Herkunftskennzeichnung im relevanten Marktsegment des Außer-Haus-Verbrauchs in Restaurants, Kantinen und Mensen.

Kritik an fehlender Herkunftskennzeichnung in Restaurants und Kantinen
Während Ina Müller-Arnke für das staatliche Tierwohllabel „möglichst hohe Kriterien“ für die Eingangsstufe forderte und dies als Wunsch eines Großteils der Bevölkerung darstellte, konterte Ripke: „Eine zu starke Reduzierung der Besatzdichte ist kein Allheilmittel, sondern aktiver Aufruf zum Import! Und damit wäre dem Tierwohl ein Bärendienst erwiesen.“ Silvia Bender kritisierte ein aus ihrer Sicht zu geringes Angebot an „Tierwohl-Angeboten“ im Lebensmitteleinzelhandel. Sie betonte aber zugleich, dass die Landwirte für ihre öffentlichen Leistungen honoriert werden müssten, und signalisierte Bereitschaft, sich gemeinsam auf den Weg zu machen.

Im Schlusswort betonte ZDG-Präsident Ripke das hohe Maß an Veränderungsbereitschaft und Innovation innerhalb der deutschen Geflügelwirtschaft: „Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, aber wir brauchen auch Unterstützung von der Politik, vom Handel und von den Verbrauchern. Unsere Landwirte und Vermarkter müssen auf ihre Kosten kommen, sonst haben wir keine Zukunft.“

Über den ZDG#
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. vertritt als berufsständische Dach- und Spitzenorganisation die Interessen der deutschen Geflügelwirtschaft auf Bundes- und EU-Ebene gegenüber politischen, amtlichen sowie berufsständischen Organisationen, der Öffentlichkeit und dem Ausland. Die rund 8.000 Mitglieder sind in Bundes- und Landesverbänden organisiert.

http://www.zdg-online.de

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