Mitgliederversammlung diskutierte über Zukunft der Märkte und Sozialpolitik

Die Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) am 28. und 29. Juni 2004 in Bonn war von der Diskussion über die zukünftigen Entwicklungen der Politik und der Märkte im Zuge der EU-Agrarreform geprägt. Die rund 400 Delegierten der 18 Landesbauernverbände und 46 assoziierten Verbände sowie zahlreiche Junglandwirte diskutierten in fünf Foren mit führenden Unternehmern, Wirtschaftsexperten, Politikern und Praktikern. Die Entwicklung der agrarsozialen Sicherungssysteme, die Chancen in den Märkten Milch, Veredlung, Ackerbau, nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien sowie im Obst- und Gemüseanbau wurden analysiert. Milchprotest hat Schlimmeres verhindert

Im Forum Milch wandte sich Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, mit einer positiven Nachricht an die Delegierten: „Die bundesweiten Aktionen der Milcherzeuger in den letzten Wochen und Monaten bei den Discountern und dem Lebensmitteleinzelhandel haben Schlimmeres verhindert“. Dies bestätigte auch Albert Große Frie, Vorstandssprecher der zweitgrößten deutschen Molkerei, der Humana Milch-Union.

Mitgliederversammlung diskutierte über Zukunft der Märkte und Sozialpolitik

Die Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) am 28. und 29. Juni 2004 in Bonn war von der Diskussion über die zukünftigen Entwicklungen der Politik und der Märkte im Zuge der EU-Agrarreform geprägt. Die rund 400 Delegierten der 18 Landesbauernverbände und 46 assoziierten Verbände sowie zahlreiche Junglandwirte diskutierten in fünf Foren mit führenden Unternehmern, Wirtschaftsexperten, Politikern und Praktikern. Die Entwicklung der agrarsozialen Sicherungssysteme, die Chancen in den Märkten Milch, Veredlung, Ackerbau, nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien sowie im Obst- und Gemüseanbau wurden analysiert.

Milchprotest hat Schlimmeres verhindert

Im Forum Milch wandte sich Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, mit einer positiven Nachricht an die Delegierten: „Die bundesweiten Aktionen der Milcherzeuger in den letzten Wochen und Monaten bei den Discountern und dem Lebensmitteleinzelhandel haben Schlimmeres verhindert“. Dies bestätigte auch Albert Große Frie, Vorstandssprecher der zweitgrößten deutschen Molkerei, der Humana Milch-Union.

Die milchpolitischen Rahmenbedingungen sowie den Stand der nationalen Umsetzung der GAP-Reform im Vermittlungsausschuss erläuterte Dr. Theodor Seegers vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Aufgrund der Kalkulationen seines Hauses zur Entkopplung und Regionalisierung der Milchprämie werde es keinen Sonderweg der Milchprämie geben, da es im Durchschnitt der Betriebe zu keinen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen kommen dürfte. Harald Schneider, junger Milcherzeuger aus Rheinland-Pfalz, sprach sich massiv dagegen aus. Bei den Betrachtungen des BMVEL würden die massiven Preissenkungen, die durch die Agrarreform hervorgerufen werden, vollkommen ausgeblendet werden. Durch die Interventionspreissenkungen drohten den Milcherzeugern Einkommensverluste von bis zu 1,2 Milliarden Euro, die durch die Ausgleichszahlungen nur zur Hälfte erstattet werden.

Otto Dietrich Steensen, DBV-Vizepräsident, forderte daher auch verlässliche Rahmenbedingungen für die deutsche Landwirtschaft, ein Ende der „Reform“-Politik zu Lasten einer wettbewerbsfähigen Milcherzeugung und den Verzicht auf weitere Belastungen und Steuererhöhungen. Die Politik müsse vielmehr durch das zur Verfügungstellen der Modulationsmittel die Milcherzeuger zusätzlich unterstützen. Dass die Modulationsmittel nach dem Willen der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses vorrangig den Milcherzeugern zur Verfügung gestellt werden sollen, bestätigte Heinrich Goldmann, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Er sprach sich zwar auch gegen einen Sonderweg Milch aus, bemerkte aber, dass der gefundene Kompromiss eine gute Ausgangslage für die Milcherzeuger darstelle, zumal alle betriebsindividuellen Prämien, also auch die Sonderprämie Bullen, bis 2010 nicht in die regionalisierten Prämien fließen.

Tierhaltung nicht einseitig erschweren

Im Forum „Perspektiven für die Veredlung“ sprach sich der Vorsitzende des DBV-Fachausschusses „Schweinefleisch“ und Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, Franz-Josef Möllers, für einen unverzerrten Wettbewerb aus. Die nationale Politik dürfe nicht über Markthemmnisse wie eine einseitige Verschärfung der EU-Vorgaben zum Beispiel bei der Tierhaltungsverordnung unternehmerische Leistungen mindern oder zerstören. An die Adresse der beteiligten Wirtschaft richtete sich Möllers mit der Aufforderung, den Schweinemarkt transparenter zu gestalten und nicht einen „Maskenball“ zu veranstalten.

Für Dr. Uwe Tillmann, Vorstandsvorsitzender der Bestmeat Company, sind Qualität und Prozesssicherheit die entscheidenden Kriterien für zukünftige Strategien. Der Geschäftsführer der Tönnies Fleischwerke, Josef Tillmann, bezeichnete die integrale Vernetzung aller Produktstufen als unerlässlich, um den künftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Wie halten es Dänen und Franzosen

Die Struktur und Entwicklung der dänischen Schweineproduktion wurde vom Präsidenten der Danske Slagterier und Vizepräsidenten von Danish Crown, Bent Claudi Lassen, dargestellt. Eckpfeiler des dänischen Weges ist eine Kostenminimierung bei einer Steigerung der Produktivität. Jean Michel Fritsch, Präsident des französischen nationalen Vieh- und Fleischverbandes (FNCBV), sieht eine Herausforderung für die EU-Landwirtschaft darin, sich insbesondere gegenüber südamerikanischen Produkten zu behaupten. Die Schaffung langfristig kalkulierbarer Rahmenbedingungen sowie fairer Markt- und Wirtschaftsbedingungen stellen nach Ansicht von Thomas Siehoff, Junglandwirt, die Grundlage für die generationsübergreifende Bewirtschaftung der Höfe und der Erzeugung hochwertiger Produkte dar.

Landwirt wird Energiewirt

Im Forum Ackerbau und Erneuerbare Energien wurde die Entwicklung des Landwirts zum Energiewirt diskutiert. Dr. Klaus Kliem, Vorsitzender des DBV-Fachausschusses „Ackerbau“, zeigte auf, dass die Bioenergie einen Zukunftsmarkt darstellt. Aufgabe der Politik sei es, vom Anbau bis zur Erzeugung die dafür geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen. Wer in der Phase der Marktentwicklung Dumpingimporte zulasse, ersticke den neuen Wettbewerbszweig bereits im Keim.

Professor Dr. Hermann Schlagheck legte die Erwartungen und die Auswirkungen der aktuellen Agrarreform aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums dar. In der hitzigen Debatte stießen vor allem die restriktiven Vorgaben bei Cross Compliance auf Kritik. Die unternehmerischen Chancen in der Bioenergie würden ungenutzt bleiben, weil einseitige Belastungen der Produktion durch Cross Compliance den Ackerbau zukünftig in Deutschland deutlich verteuern. Dabei zeigte Prof. Dr. Volker Petersen auf, dass aufgrund der Vorzüglichkeit von Klima und Boden Deutschland ein sicherer und zukunftsträchtiger Produktionsstandort für den Ackerbau ist. Umso notwendiger sei die Entwicklung von Strategien zu Markteinführungen.

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Scheer (SPD) führte als Streiter für die Bioenergie aus, welchen Kernbeitrag das Erneuerbare Energien-Gesetz zur Weiterentwicklung der Bioenergie habe. Gerade der Biomasse komme eine besondere Bedeutung zu. Dr. Johannes Ewers vom Energiekonzern RWE stellte die Konsequenzen des Energiemixes der verschiedenen Energieträger dar und betonte, dass die Bioenergie in der Wärmeproduktion deutliche Vorzüge habe, dagegen in anderen Bereichen ökonomisch schwieriger zu beurteilen sei. Demgegenüber wies Jochen Häuser als junger Praktiker auf die Chancen hin, die in der Energieproduktion stecken. Er sieht in der Bioenergie für seinen Betrieb in seiner Unternehmensentwicklung nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten.

Obst und Gemüse mit Zukunft?

Im Forum Obst- und Gemüsemärkte „Der neue Einfluss der Politik auf die Obst- und Gemüsemärkte“ stellte der Vorsitzende des Bundesausschusses Obst und Gemüse, Gerhard Schulz, Ideenreichtum und Unternehmertum beim Anbau und in der Vermarktung heraus. Die Reform der EU-Agrarpolitik zwinge den Obst- und Gemüseanbau jedoch künftig in ein Korsett, das sich die Unternehmer nicht gewünscht hätten. Denn Obst- und Gemüsebetriebe stehen in einem harten internationalen Wettbewerb. So forderte Schulz, im Rahmen der Agrarreform sicherzustellen, dass es 2005 ausreichend Pachtflächen gibt und das Problem bei den Wechselflächen gelöst wird. Ebenso sind die speziellen Prämienrechte für Obst und Gemüse abzuschaffen und die Obst- und Gemüseflächen von der Flächenstilllegung auszunehmen.

Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim gab den Obst- und Gemüsebauern insbesondere im Hinblick auf den Pachtmarkt Recht. Eine hundertprozentige Lösung könne er nicht anbieten, wohl aber den intensiven Dialog mit dem Berufsstand, um die negativen Auswirkungen der Agrarreform zu begrenzen. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen erörterte mit den Teilnehmern die aktuelle Wettbewerbssituation des Obst- und Gemüseanbaues. Insbesondere die Unterglasbetriebe hätten Wettbewerbsnachteile durch den teueren Faktor Energie und ebenso durch die unzureichende Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und die EU-Osterweiterung.

Der Geschäftsführer der QS Qualität und Sicherheit GmbH, Dr. Hermann-Josef Nienhoff, stellte das QS-System frisches Obst und Gemüse als das zukunftsorientierte System zur Absatzsicherung der Märkte vor. Die Diskussion zeigte, dass die Erzeuger geschlossen zu QS stehen und QS im Markt etablieren wollen, weil Landwirtschaft, Großhandel und Lebensmitteleinzelhandel hier ein stufenübergreifendes System geschaffen haben, das beim Verbraucher höhere Akzeptanz erreicht.

Bund will Mittel bei landwirtschaftlichen Sozialkassen kürzen

Im Forum Sozialpolitik ging es im Kern um die zukünftige Finanzierung der eigenständigen Sozialpolitik. Die Delegierten mit Leo Blum, dem Vorsitzenden des Fachausschusses „Sozialpolitik“ und Vorstandsvorsitzenden der Bundesverbände der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger, waren sich einig, dass die Bundesmittelkürzungen in allen drei Agrarsozialsystemen in den vergangenen Jahren zu einer überproportionalen Belastung der Landwirte und ihrer Familien geführt hat. So hat der Bund die Bundesmittel zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung seit 1999 um ca. 100 Millionen Euro gesenkt. Eine weitere Reduzierung der Bundesmittel sowohl bei der Unfallversicherung als auch bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung ist für die Unternehmen nicht mehr tragbar, betonten die Delegierten einstimmig. Weiterhin wurde harsche Kritik an der Bundesregierung geübt, die mit dem kürzlich vorgelegten Haushalt 2005 weitere Bundesmittelkürzungen im agrarsozialen Bereich vornehmen will. Die Vertreter der Regierungspartien ließen aber an der Notwendigkeit einer weiteren Kürzung der Bundesmittel zum agrarsozialen Sicherungssystem keine Zweifel aufkommen.

Unverständnis wurde von den Delegierten geäußert, dass die Bundesregierung die vom Berufsstand gemachten Vorschläge zur Stabilisierung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft durch Leistungskürzungen in dieser Legislaturperiode nicht mehr aufgreifen will. Die Vertreter der Politik, Ilse Aigner, Mitglied des Haushaltsausschusses des Bundestages (CSU), Waltraut Wolff, stellv. Sprecherin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion, Franziska Eichstädt-Bohlig, Mitglied des Haushaltsausschusses des Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen, bekräftigten einhellig, gemeinsam mit dem Berufsstand eine Lösung der Probleme des agrarsozialen Sicherungssystems zu suchen. Das umlagefinanzierte berufsständige Sozialversicherungssystem könne den Strukturwandel aus eigener Kraft nicht bewältigen.

Quelle: Bonn [ dbv ]

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